2020 wird die Leistung symbolischer Entschädigungen an alle abgeschlossen, die im Zeitraum vom 1. September 1939 bis 1. April 1956 wegen ihrer deutschen Abstammung zu Zwangsarbeiten herangezogen wurden. Dazu zählen auch diejenigen, die sich in den Kriegsjahren in sowjetischen Arbeitslagern befanden.
Am 23. April wurde beim „direkten Draht“ mit dem Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Prof. Dr. Bernd Fabritius das Thema von Entschädigungen an Trudarmisten angesprochen. Der Bundesbeauftragte ging insbesondere auf die Telefonate von Senioren ein, welche ihren Dank für den Beschluss des Bundestages vom 27. November 2015 über die Zahlung symbolischer Entschädigung für Personen aussprachen, die zu Zwangsarbeiten eingezogen wurden. Gerade dank diesem Beschluss erhalten ehemalige Trudarmisten in den letzten Jahren von der deutschen Bundesregierung einmalige Entschädigungen in Höhe von 2500 EUR. Die Aktion betraf Dutzendtausende Menschen aus verschiedenen Ländern.
Beim Bundesverwaltungsamt gingen 46 851 Anträge auf Entschädigung ein. Mehr als Hälfte davon entfällt auf die Trudarmisten aus der früheren UdSSR. Zum Ende März wurden laut Angaben der deutschen Seite 97% der Anträge geprüft. 90% der Antragsteller sind älter als 80 Jahre. Ungefähr zwei Drittel der Antragsteller sind Frauen.
Nach den Worten von Sebastian Klappert, Referenten im deutschen Bundesministerium des Innern, der den Prozess der Entschädigungsleistung koordiniert, hat niemand mit so großer Zahl der Anträge gerechnet. „Dies bedeutete für uns eine große Herausforderung“, sagte der Beamte. Eine weitere Herausforderung bildete die Kommunikation mit sehr betagten Menschen (die dazu noch oft an Demenz litten), die Notwendigkeit, irgendwelche Punkte zu präzisieren, die ihren Aufenthalt im Arbeitslager betrafen.
Aber nicht nur die Vertreter der deutschen Seite hatten es schwer in der Phase der Bearbeitung der Anträge. Aktiven Anteil an der Vorbereitung der Dokumente für ehemalige Trudarmisten aus Russland nahm die Selbstorganisation der Russlanddeutschen. Insgesamt wurden vom Internationalen Verband der deutschen Kultur (IVDK) nach Deutschland an das Bundesverwaltungsamt 117 Anträge gestellt. Darüber hinaus wurden Anträge von vielen Trudarmisten selbständig gestellt.
Bei der Vorbereitung von 56 Anträgen über den IVDK half die Vorsitzende des Koordinationsrates der Deutschen im Verwaltungsgebiet Kemerowo Sofija Simakowa. „Wir reichten Anträge bei allen lokalen Medien ein, sprachen die Zweigstellen für Sozialschutz in allen Siedlungsorten des Gebiets an. Dadurch haben wir unsere Datenbank über Repressierte und Trudarmisten in der Region wesentlich erweitert, was uns im Weiteren bei unserer Sozialarbeit zugunsten der Russlanddeutschen und im Laufe der Hilfeleistung an die Trudarmisten half. Ich besuchte nahezu alle, eine Hälfte von ihnen haben sehr dürftige Wohnbedingungen, nicht so wie sie es verdient haben“, teilte Sofija Simakowa mit.
„Was unsere Region betrifft“, bemerkte Natalia Dempke, Ex-Vorsitzende des Interregionalen Koordinationsrates der Zentralregion und im Nordwesten Russlands, „bin ich den deutschen Partnern dankbar, die meine elektronischen Schreiben geduldig beantworteten, bis wir eine Lösung der Probleme fanden, von denen es sehr viele gab. Dies sind sowohl das fortgeschrittene Alter der Antragsteller, Fehlen der Deutschkenntnisse, als auch das Fehlen der Nachweisdokumente, die man Körnchen für Körnchen wiederbeschaffen musste. Jedoch haben wir es mit gemeinsamen Bemühungen um das Wohl der Menschen geschafft, die die Arbeitslager durchmachen mussten.“
Nach allen aufwendigen Verfahren des Erhalts der Entschädigung erlangen die Dankesworte der Trudarmisten und ihrer Nachkommen einen besonderen Wert.
„Meine Mutter Marija Becking (verheiratete Tkatschenko) war noch am Leben, als sie erfuhr, dass die deutsche Bundesregierung die Zwangsarbeiter unterstützen will“, erzählt die Tochter der ehemaligen Trudarmistin, Ludmila Wownjanko. „Mama lebte auf, obwohl sie schon sehr krank war. Schließlich begann sie, den Kindern über die sogenannte Trudarmee zu erzählen. Ihr ganzes Leben lang schwieg sie darüber und nun kam es nach der Information zur Sprache. Sie hat sogar ein Gedicht geschrieben. Bald darauf ist die Mutter verstorben und das Geld für ihre Sklavenarbeit und ihr gebrochenes Leben erhielten wir, ihre Kinder. Wir möchten allen danken, nicht so sehr für das Geld, sondern vielmehr für die Anerkennung und das Gedenken, die die Trudarmisten sicherlich verdient haben!“
„Leider hat der Vater den Tag des Entschädigungseingangs nicht erlebt“, schreibt der Sohn eines Trudarmisten Pjotr Rempel, „aber uns sind in unserer Familie seine Erinnerungen aus jener schweren Zeit und darüber, unter welchen Bedingungen er, der damals noch fast ein Kind war, 16 Stunden am Tag in der Schacht arbeiten musste, noch sehr gegenwärtig… Ich möchte meinen Dank für die erwiesene Hilfe an die Bundesregierung Deutschlands und all diejenigen richten, die dabei mitwirkten.“
„Eine angenehme Überraschung bildete die Entschädigungsleistung für Frieda Benz im Vorfeld ihres 90. Geburtstages. Und das Ehepaar Schulz erhielt die Entschädigungsleistung vor ihrer Diamantenhochzeit“, erzählt die Vorsitzende des Koordinationsrates der Deutschen im Verwaltungsgebiet Kemerowo Sofija Simakowa. „Frieda Schulz war durch die Entschädigung so gerührt, das sie bat, ihren Dank an alle auszurichten. Sie rief an und sagte, dass noch ein Brief aus Deutschland kam, dort stand alles auf Deutsch, und die Enkelin ist bei der Arbeit, der Urenkel kann kein Deutsch, nun sitzen wir und warten auf die Übersetzung. ‚Wir haben nur das einzige Wort ‚Frau‘ verstanden!‘ Sie hätte es auch selbst gelesen, aber sie sieht überhaupt nichts. Allein über das Wort ‚Frau‘ freute sie sich so sehr! Ich hörte ihr zu und lächelte. Wie wenig braucht man mit 92 Jahren! Für Freude reicht allein schon das Wort ‚Frau‘ aus!“
„Viele Trudarmisten riefen mich an und dankten für die Unterstützung“, so Sofija Simakowa.
Die Entschädigungsleistung wird noch von einer gewissen Zahl von Trudarmistenerben erwartet, jedoch wird die Leistung an sie laut Angaben der deutschen Seite zuletzt erfolgen. „Voraussichtlich werden alle Leistungen noch in diesem Jahr vollständig ausgezahlt werden können“, kommentierte die Situation der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Prof. Dr. Bernd Fabritius. „Damit verbinde ich die Hoffnung, dass die Empfänger dieser Leistung diese – wenngleich späte – Würdigung ihres furchtbaren Leides als lindernd und versöhnend empfinden können.“
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