Um die deutsch-russischen Beziehungen ist es derzeit nicht gut bestellt. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die anhaltende Konflikt im Osten der Ukraine lassen keine kurzfristige Entspannung zu. Unter den gegenwärtigen Spannungen zwischen beiden Ländern leiden die Russlanddeutschen.
In Deutschland leben rund 2,5 Millionen Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion. In Russland selbst kann man bis heute von ca. 500.000 Deutschen ausgehen. In Kasachstan schätzt man die Zahl der dort lebenden Deutschen auf knapp 200.000 Personen. Selbst in Usbekistan, Kirgistan, Armenien und Georgien existieren bis heute kleinere deutsche Minderheiten.
In Deutschland unterstellen viele den Russlanddeutschen eine pauschale AfD-Nähe oder man sieht in ihnen Anhänger Putins. In Russland verdächtigen nationalistische Kräfte die dort lebenden Deutschen als Einflussagenten Merkels. In dieser schwierigen Lage bemühen sich die Landsmannschaft der Deutschen in Russland in Deutschland unter ihrem Vorsitzenden Waldemar Eisenbraun und die Führung der im Internationalen Verband der Deutschen Kultur zusammengeschlossen Deutschen in Russland unter Heinrich und Olga Martens, nicht vollends zwischen alle Stühle zu geraten und vor allem auf zivilgesellschaftlicher Ebene eine wichtige Brückenfunktion auszuüben.
Das gilt für den „Petersburger Dialog“, das derzeit wichtigste deutsch-russische Dialogforum, an dem Russlanddeutsche aus beiden Ländern aktiv mitwirken. Das gilt für zahlreiche Partnerschaftsprojekte, vor allem auch im Jugendbereich, die die Russlanddeutschen in beiden Ländern mit Unterstützung des Bundesministeriums des Innern durchführen. Auch für die Deutsch-Russische Regierungskommission zu Angelegenheiten der Russlanddeutschen, die nach jahrelanger Unterbrechung 2016 im sibirischen Omsk und 2017 im fränkischen Bayreuth unter aktiver Beteiligung der Russlanddeutschen aus beiden Ländern mit sehr konkreten Ergebnissen tagte, gehört dazu.
Kürzlich fand auf Initiative der Deutschen in Russland mit Beteiligung ranghoher russischer Offizieller in Moskau eine internationale Konferenz zum Thema „Volksdiplomatie“ statt, bei der auch die Landsmannschaft der Russlanddeutschen zahlreich und aktiv vertreten war. Dabei wurde deutlich, dass man von politischer Seite beider Länder die wichtige Brückenfunktion der Russlanddeutschen angesichts der schwierigen deutsch-russischen Beziehungen erkannt hat und sie gerne als „Eisbrecher“ nutzen möchte. Das gilt nicht nur im politischen Bereich, sondern gerade auch auf den Feldern Wirtschaft, Kultur und Kirchen.
Da trifft es sich gut, dass zeitgleich zur nächsten Deutsch-Russischen Regierungskommission zu Angelegenheiten der Russlanddeutschen im Herbst dieses Jahres in Königsberg/Kaliningrad ein Deutsch-Russisches Forum zu Fragen der Wirtschaft und Kultur stattfinden soll. Das Königsberger Gebiet eignet sich hierfür sehr gut, konnte doch der Streit um das dortige Deutsch-Russische Haus beigelegt und eine strukturelle und inhaltliche Neuausrichtung vorgenommen werden. Man kann jedenfalls den Verantwortlichen der Russlanddeutschen in Deutschland und Russland für diese Art von „Volksdiplomatie“ in schwieriger Zeit nur dankbar sein. Doch Schulterklopfen allein reicht nicht aus. Vielmehr bedarf es der Ermutigung und Unterstützung, damit die Landsmannschaft der Russlanddeutschen in Deutschland und der Internationale Verband der Deutschen Kultur in Russland ihre wichtige Brücken- und Dialogfunktion auch weiterhin engagiert wahrnehmen können.
Hartmut Koschyk
Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten 2014 bis 2017,
Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“
19.08.2024
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